Montag, 29. Oktober 2012

Eine Neutralität die keine Neutralität ist


Der Bundeskanzler sprach über die Neutralität. Dass sie nur noch eine "alte Schablone" sei, dass sie in der "komplexen Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts" keinen Platz mehr habe. Wer sich anschickt, just am Nationalfeiertag ein Gesetz im Verfassungsrang mit einem Konfekt im Schokolademantel zu vergleichen, kann weder im Umgang mit potentiellen Wählerstimmen besonders geschickt sein. Der Bundeskanzler, "dem nachgesagt wird, er halte die Neutralität grundsätzlich für überlebt", habe der Initiative Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands, eine gegenseitige Beistandspflicht der EU-Staaten zu formulieren, sofort vehement beigepflichtet. Die Menschen, die in der Neutralität weiterhin "eine Art Staatsideologie der Friedlichkeit" sähen, wüssten die Politiker, "dass seit dem Beitritt zur EU die Neutralität nur noch eine 'Restgröße' ist". Deshalb erfolgt die Entsorgung der Neutralität schrittweise in „homöopathischen Dosen“ (siehe auch die folgende Chronologie fortgesetzter Neutralitätsverletzungen). Als Gleitmittel der zunehmenden Militarisierung erweist sich einmal mehr die Europäische Integration. Aus der These „Beitritt zur NATO“ und der Antithese „Beibehaltung der Neutralität“ wird „hinter dem Rücken“ der Öffentlichkeit die Synthese „Mitgliedschaft in einem EU-Militärblock“.

Mit der endgültigen Entscheidung der SPÖ 1989, einen EG-Beitrittsantrag zu stellen, wurde der Weg für den so genannten „Brief nach Brüssel“ frei, nachdem zuvor schon die Industriellenvereinigung, die rechte Partei und die liberale Partei und im Wesentlichen die Sozialpartner einen EG-Beitritt Österreichs forderten. Der Preis dafür war zu diesem Zeitpunkt noch ein Neutralitätsvorbehalt, der sich freilich im Ergebnis der Beitrittsverhandlungen mit der EU 1994 nicht mehr findet. Hier wird die volle Teilnahme an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU fixiert, so wie sie im Vertrag von Maastricht formuliert wird. Dabei wurde schon 1991 mit der neutralitätswidrige Gewährung von Überflugs- und Panzerdurchfuhrgenehmigungen für die Alliierten im Krieg gegen den Irak demonstriert, wohin die Reise gehen soll. Der Krieg gegen den Irak markiert aber „nur“ den Auftakt einer Geschichte fortgesetzter Neutralitätsverletzungen in den 1990er-Jahren. In vorauseilendem Gehorsam erklärt der damalige Außenminister und heutige Bundeskanzler beim WEU-Ministerrat in Lissabon 1995 die Bereitschaft unseres Landes, an diesem „Krisenmanagement“ teilzunehmen. Noch im selben Jahr folgt die Entscheidung, sich unter NATO-Kommando am IFOR-Einsatz in Bosnien-Herzegowina zu beteiligen. Aus dem Wust rechtlicher Anpassungen, die die Neutralität immer mehr untergraben. Unser Land wird sich auch an der ab 2003 geplanten Euro-Armee mit einem Kontingent von 3.500 Mann und Frau beteiligen, Kostenpunkt:  360 Millionen. Bereitgestellt werden sollen ein gepanzerter Infanterieverband, bedarfsbezogen verstärkt mit Panzern, Panzergrenadieren bzw. mit Fliegerabwehr. Weiters ein leichter Infanterieverband und eine ABC-Abwehreinheit. Dazu der Verteidigungsminister offenherzig martialisch: Es muss „klar sein, dass mancherorts geäußerte Meinungen, unser Land solle sich auf ´soft security´ konzentrieren, d. h. Friedenserhaltung, Katastrophenhilfe, Such- und Rettungsdienste und ziviles Krisenmanagement, an der Realität völlig

vorbeigehen. Solches entspricht weder dem gemeinsam festgelegten europäischen Bedarf, noch würde es den Erfordernissen aktueller Konfliktszenarien genügen“.


Einundvierzig Jahre ist es her, dass der Nationalrat ein Gesetz verabschiedete, das gemeinsam mit dem Staatsvertrag eine ganze Periode unserer Geschichte abschloss und unser Land nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in seine volle Souveränität einsetzte. Die immerwährende Neutralität sollte vielmehr, wie es im Gesetz heißt, die dauernde Behauptung der Unabhängigkeit nach außen und die Unverletzlichkeit seines Gebiets gewährleisten. Hier muss daran erinnert werden, dass die Neutralität in den Jahren vor 1955 von der Liberalen Partei, der Sozialistischen Partei und dem Vorläufer der Freiheitlichen Partei, die längste Zeit abgelehnt wurde. Nur die Kommunisten haben seit 1953 den neutralen Status gefordert und sind in dieser Sache nach einer vorübergehenden kurzen Schwankung im Jahr 1954 konsequent geblieben. Als es dann zur Vereinbarung in Moskau im April 1955 kam, die den Weg zum Staatsvertrag ebnete, gingen auch die Liberale Partei und Sozialistische Partei auf die Position der Neutralität über. Die Vorläufer der Freiheitlichen hingegen - und auch daran ist es nützlich und lehrreich zu erinnern - stimmten dagegen. Damit kann die Freiheitliche Partei für sich beanspruchen, immer schon gegen die Neutralität gewesen zu sein.


Am 26. Oktober 1955 beschloss der Nationalrat das Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität. In diesem Neutralitätsgesetz heißt es, dass "aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität" erklärt. Darin erklärt unser Land keinen militärischen Bündnissen beizutreten, sich selbst "mit allen zu Gebot stehenden Mitteln" zu verteidigen und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiet nicht zuzulassen. Der Kern der immerwährenden Neutralität ist aber die völkerrechtliche Verpflichtung, sich nicht an Kriegen zu beteiligen. Auch im Frieden ist ein neutraler Staat dazu verpflichtet eine neutralitätssichernde Politik zu machen, was auch den wirtschaftlichen Bereich einschließt.

Das Neutralitätsgesetz und das Moskauer Memorandum vom 15. April 1955 und der Staatsvertrag vom 15. Mai 1955 bilden eine politische Einheit.


Der Staatsvertrag schreibt vor:

- die Wiederherstellung der österreichischen Unabhängigkeit,

- die Unabhängigkeit Österreichs von Deutschland,

- die Wahrung der demokratischen Regierungsform,

- die Rechte slowenischer und kroatischer Minderheiten,

- die Verhinderung des Wiederauflebens des Nationalsozialismus und

- die Beschränkung der Wehrhoheit Österreichs.   


Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 über die Neutralität Österreichs
(kurz: Neutralitätsgesetz)


Artikel I


(1) Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.


(2) Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen.


Artikel II


Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist die Bundesregierung betraut.




Nachdem sich die österreichische Außenpolitik als Folgewirkung des Zweiten Weltkriegs und des Wiederaufbaus von 1955 bis etwa 1970 vor allem auf die Kontakte zu den Mitunterzeichnern des Staatsvertrags und zu den unmittelbaren Nachbarstaaten konzentriert hatte, wurde ihr Wirkungskreis seit etwa Ende der 60er-/Anfang der 70er-Jahre auf die restlichen europäischen Staaten und Nordamerika erweitert und schließlich in der "Ära Kreisky" (1970–1983) in Richtung auf eine globale Perspektive fortentwickelt. Profilieren konnte sich unser Land als Vertreter einer aktiven Neutralitätspolitik nach 1975 weiters im Rahmen der KSZE/OSZE.

Aufgrund von historischen und geographisch-sicherheitspolitischen Gegebenheiten entschlossen wir uns zu einer im Vergleich zur Schweiz aktiven und dynamischen Neutralitätspolitik; wir wurden zum Beispiel bereits im Dezember 1955 Mitglied der UNO. Weitgehende Veränderungen für die Neutralität brachte erstmals der 2. Golfkrieg 1990/91 (mit Überflugsgenehmigungen für NATO-Flugzeuge). Vor allem im Zusammenhang mit unserem Beitritt zur Europäischen Union und den Beschlüssen zur Schaffung eines europäischen Sicherheitssystems wird die Rolle der Neutralität diskutiert und relativiert.

Im Zuge dieser Entwicklungen sprach zunächst der Außenminister von der Notwendigkeit, die Neutralität in Richtung auf eine verstärkte internationale Solidarität zu verändern.


Wie wir wissen, ist unser Land in den Jahrzehnten danach mit der Neutralität gut gefahren. Die Neutralität war und ist dem Kleinstaatstatus einzig adäquat und wie auf den Leib geschneidert. Wir haben auch ein durchaus eigenständiges Neutralitätsverständnis entwickelt, eine aktive Neutralitätspolitik betrieben, die die Möglichkeiten zu einem kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Brückenschlag zwischen Ost und West, zum Engagement in internationalen Friedensaufgaben nützte. Dadurch gewannen wir in der Staatenwelt ein hohes Ansehen, es wurde als ein Ort geachtet, wo Begegnung und Austausch, Vermittlung und Gespräch in Konfliktfällen der internationalen Beziehungen stattfinden konnten. Entgegen diesem Willen und Grundgefühl der großen Mehrheit unserer Bevölkerung betreiben die politischen Eliten bei uns nun schon seit Jahren eine systematische Aushöhlung und Demontage der Neutralität. Nach den Ereignissen von 1989 und dem Zerfall der Sowjetunion 1991 wurde dann die Neutralität plötzlich als überholt und wertlos erklärt, als Relikt einer besonderen Situation der Kalten-Kriegs-Vergangenheit, die nun durch den Wegfall der Ost-West-Konfrontation obsolet geworden sei. Diese Propagandawelle der letzten Jahre zeigt bereits Auswirkungen. Meinungsumfragen zufolge nimmt die Zahl der Befürworter der Neutralität seit einiger Zeit ab, zwar langsam, weil dieselben Kräfte jahrzehntelang von der Neutralität das Gegenteil behaupteten und sie priesen, aber doch. Wenn es so weitergeht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis dieses Ziel, das Sinken unter die Fünfzig-Prozent-Marke, erreicht ist. Dann wird man plötzlich zu hören bekommen, dass eine Volksabstimmung über die Abschaffung der immerwährenden Neutralität eigentlich doch angebracht sei. Konfliktvermeidung und Konfliktvermittlung ohne Parteinahme zeichnen eine Neutralität aus, wie sie sein soll. Als Mitglied der NATO und der Westeuropäischen Union können wir nie und nimmer diesem Auftrag gerecht werden. Die Neutralität ist und bleibt daher ein lebenswichtiger und glaubwürdiger Vorteil gegenüber dem Beitritt zu einem Militärbündnis.


Die NATO-Anbindung an uns passierte auf leisen Wegen. Durch die „Partnerschaft für den Frieden“ sind wir bereits an eine Vorfeldorganisation der NATO gebunden. Die Fragestellung nach den Optionen neutraler Politik tritt in den Hintergrund, da die Neutralität scheibchenweise abgeschafft wird. Wir befinden uns nicht in der luxuriösen Situation, in Bezug auf die Sinnhaftigkeit des Bundesheeres und alternativer friedenspolitischer Konzepte Begehrlichkeiten an die Regierung zu richten. Die Neutralität muss die Regierung als Bestandteil der Bundesverfassung akzeptieren, anstatt das Bundesheer auf künftige Kriege vorzubereiten. Viele Bundesheerangehörige und Milizionären, fühlen sich aufrichtig der Neutralität verpflichtet und das viele besorgt sind über die Richtung der Politik in dieser Frage. Menschenrechtsverletzungen werden durch militärisches Eingreifen und damit einhergehend mit weitergehenden Menschenrechtsverletzungen nicht revidiert. Ein Land, das es sich leisten kann, eine neutrale, eine vermittelnde Position einzunehmen, kann dazu einen beachtlichen Beitrag leisten. Unser Land hat die realpolitische Möglichkeit, sich als friedensstiftendes, als in Konflikten vermittelndes Land zu etablieren! Warum sollte es angesichts dieses Fortschrittes der Zivilisation, die heute bereits Kriege als ein Übel betrachtet, nicht auch möglich sein, den Krieg abzuschaffen?

Auf internationaler Ebene wurden die Neutralität und die auf ihrer Grundlage praktizierte Außenpolitik ausnahmslos anerkannt und geschätzt, sowie letztlich zum unverkennbaren Markenzeichen unseres Landes in seinen internationalen Beziehungen.

Aus dem Verständnis immerwährend neutral zu sein, wurde die Sichtweise einer differentiellen Neutralität entwickelt. Das ermöglichte die Teilnahme an der EU und an ihrer seit dem Maastricht-Vertrag intendierten Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) ohne besondere Interpretationsprobleme, obwohl die Beteiligung an Sanktionen gegenüber Drittstaaten zur Voraussetzung wird.


Mit dem Beitritt in die Europäische Union kam jetzt auch noch eine andere Gefahr hinzu:


Die EU – Verfassung:

- Verpflichtung zur Aufrüstung für alle EU-Mitglieder: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“ (Art. I-40)

- Einrichtung eines „Europäischen Amtes für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten“, um die Rüstungsindustrie zu stärken

- Ermächtigung zu weltweiten Militärinterventionen („Kampfeinsätze im Rahmen der Krisenbewältigung“) ohne räumliche Einschränkung, ohne Bindung an ein UN-Mandat

- Militärische Beistandsverpflichtung im Kampf gegen den „Terrorismus“, Freibrief zur Aufstandsbekämpfung in „Drittstaaten“ unter dem Deckmantel der „Terrorbekämpfung“

- Einrichtung eines militärischen Kerneuropas: Länder mit „anspruchsvollen Kriterien in Bezug auf die militärischen Fähigkeiten“ (Art. I-40)

- Ermöglichung des Einsatzes von EU-Streitkräften im Inneren, wenn „Interessen und Werte der Union gefährdet sind“ (Art. I-40).



Nach dem EU-Beitritt ging es dann Schlag auf Schlag:

(1)

1.1.1995: Unser Land wird Beobachter bei der WEU. Die WEU bekennt sich in den sog. „Petersburger Missionen“ bereits offen zum globalen militärischen Interventionismus, auch ohne UNO-Mandat


10. 2. 1995: Unser Land wird Mitglied bei der „NATO-Partnerschaft für den Frieden“ (PfP). Die NATO verfolgt mit der PfP ausdrücklich das Ziel, potentielle neue Mitglieder auf ihre künftige Mitgliedschaft in der NATO vorzubereiten


15. 5. 1995: WEU-Ministerrat in Lissabon: Der Kanzler erklärt die Bereitschaft, am Krisenmanagement im Rahmen der Petersberg-Missionen teilzunehmen.


12. 12. 1995: Ministerratsbeschluss, sich am IFOR-Einsatz in Bosnien-Herzegowina unter NATO-Kommando zu beteiligen.

1996: gemeinsame Manöver mit der NATO, z.B. „Cooperative Osprey“ in den USA, „Cooperative Lantern“ in der BRD und die Katastrophenübung „Viribus Unitis“ in Ostösterreich in Zusammenarbeit mit der NATO-Zentrale in Brüssel.


12. 11. 1996: Der Ministerrat nimmt das „Sicherheitsabkommen mit der WEU“ an. Unser Land unterstützt damit das Ziel, die „Petersberg-Aufgaben“ im EU-Vertrag zu verankern und die WEU als direkten militärischen Arm der EU zu installieren.


19. 11. 1996: Der Außenminister erklärt anlässlich des WEU-Ministerrates in Ostende die Bereitschaft unseres Landes, an militärischen Interventionen der WEU teilzuhaben.

1997: monatlich überfliegen bis zu 2.500 Militärflugzeuge verschiedener NATO-Länder Österreich Richtung Bosnien.


11. 1. 1997: Anlässlich des Besuches von NATO-Generalsekretär Solana in Wien unterzeichnet Schüssel ein NATO-Truppenstatut, das die Grundlage für den Aufenthalt ausländischer Truppen in unserem Land und damit auch für Übungen der PfP-Mitglieder auf österreichischem Boden ist. Zugleich erleichtert es die Teilnahme österreichischer Soldaten an PfP-Übungen im Ausland.


21. 4. 1997: Beschluss des Entsendegesetzes. Damit können unsere Truppen in Hinkunft im Rahmen jeder internationalen Organisation, d. h. nicht nur UNO oder OSZE, sondern auch NATO oder EU, zum Einsatz gebracht werden.


17. – 20. 6. 1997: Reform des Maastricht-Vertrages durch den EU-Vertrag von Amsterdam. U. a. verpflichten sich die EU-Staaten auf die „schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik“. Die „Petersberg-Aufgaben“, d. h. der Freibrief zum globalen militärischen Interventionismus, wird Bestandteil des EU-Vertrages.


13. 5. 1998: Der Nationalrat ratifiziert das NATO-Truppenstatut.


18. 6. 1998: Der Nationalrat ratifiziert den EU-Vertrag von Amsterdam. Gleichzeitig wird handstreichartig eine Kriegsermächtigung in den Verfassungsrang erhoben (Artikel 23f): ab dem Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages können Bundeskanzler und Außenminister Österreich an Kriegen der EU beteiligen – weltweit, auch ohne UNO-Mandat (sh. unten).


November 1998: der Ministerrat beschließt die Teilnahme an der sog. „erweiterten NATO-Partnerschaft für den Frieden“ (PfP plus). Damit sind wir in die NATO-Kommandostrukturen eingebunden und kann auch an militärischen Kampfeinsätzen („peace-enforcement“) teilnehmen


März 1999: Bundeskanzler stimmt im EU-Rat für die Unterstützung des NATO-Angriffskrieges auf Jugoslawien.


1. 5. 1999: Der Kriegsermächtigungsartikel 23 f tritt zeitgleich mit dem Vertrag von Amsterdam in Kraft


2./ 3. 6. 1999: EU-Gipfel in Köln bringt den Durchbruch in Richtung Militarisierung der EU: Integration des Militärpaktes WEU in die EU, Aufbau einer gemeinsamen europäischen Rüstungsindustrie, Bekräftigung der Bereitschaft zum weltweiten Interventionismus. Javier Solana, NATO-Generalsekretär während des Jugoslawienkrieges, wird zum neuen Mr. GASP gewählt, um der EU eine „sicherheits- und verteidigungspolitische Identität“ zu geben. Der Kern eines künftigen EU-Kriegsministeriums wird geschaffen: regelmäßige Treffen der EU-Verteidigungsminister, Schaffung eines sicherheitspolitischen Ausschusses, eines EU-Militärausschusses sowie eines EU-Militärstabes in Brüssel


Juni 1999: Einsatz unserer Soldaten im Kosovo unter (deutschem) NATO-Kommando


10./11. 12. 1999: Der EU-Gipfel in Helsinki beschließt die Aufstellung einer EU-Interventionsstreitmacht bis 2003. Stärke: 60.000 Mann, Aktionsradius: 6.000 Kilometer, Einsatzdauer bis zu einem Jahr. Der Verteidigungsminister erklärt, dass wir mit 2.500 Mann an dieser Interventionstruppe beteiligen wird.


Jänner/Februar 2000: sowohl im kurzzeitigen SP-VP-Koalitionspakt als auch im anschließenden schwarz-blauen Regierungsprogramm findet sich die Bereitschaft, an den zukünftigen EU-Interventionsstreitkraft voll teilzuhaben, sich für eine EU-Beistandsverpflichtung einzusetzen und neue Abfangjäger und Kampfhubschrauber anzukaufen. Weiters stellt die Liberalen-Freiheitlichen-Regierung den Antrag auf Beitritt zur „westeuropäischen Rüstungsgruppe“ (Weag), dem Koordinierungsgremium für Rüstungsaufträge.


23. Jänner 2001: Der Ministerrat beschließt den Analyse-Teil der neuen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin, in dem u. a. formuliert wird, dass wir nicht mehr neutral, sondern nur noch bündnisfrei seien.


Februar 2001: Das Bundesheer probt im Manöver „Waldviertel 2001“ den Krieg mit

Tschechien.


April 2001: Das Bundesheer probt in den Tiroler Alpen im Großmanöver „Kristall

2001“ zum ersten Mal den Einsatz „out of area“.


10. Mai 2001: Der Nationalrat novelliert das Kriegsmaterialgesetz. Die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial ist jetzt auch unabhängig von einem UNO-Sicherheitsratsmandat möglich z. B. für „Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung“. Alle verbalen Bezüge zur Neutralität werden ersatzlos gestrichen. Gleichzeitig wird ein Truppenaufenthaltsgesetz beschlossen, um den „Aufenthalt ausländischer Truppen auf unserem Hoheitsgebiet“ – auch unabhängig von einem UNO Sicherheitsratsmandat

– zu regeln. Die Aufenthaltsdauer wird an keiner Stelle des Gesetzes begrenzt.


10.-20. September 2001: Das Bundesheer empfängt im Rahmen der NATO-PfP

Truppen aus 20 Staaten, darunter aus Kanada, den USA, Italien, Griechenland und Polen zu einem gemeinsamen NATO-Manöver „Coorperative Best Effort“ auf dem Truppenübungsplatz Seetaleralpen der Steiermark.


21. November 2001: Der Nationalrat beschließt mit den Stimmen von den Parlamentsparteien die Ratifizierung des EU-Vertrages von Nizza, der eine wesentliche Grundlage für die gemeinsame Euro-Armee ist. Beim EU-Gipfel von Nizza wurden die politischen und militärischen Führungsstrukturen der Euro-Armee beschlossen. Damit hat die Friedens- und Neutralitätsbewegung bei den Führungen der Parlamentsparteien keine Verbündeten mehr.


17. Jänner 2002: Der Nationalrat beschließt mit den Stimmen von den Parlamentsparteien die Entsendung von Soldaten unter deutschem Kommando nach Afghanistan im Rahmen der IASF-Mission. Es handelt sich um ein „robuste Mandat“, d.h. kein Peace-keeping-, sondern ein Kampfeinsatz. Das UN-Mandat verdeckt nur notdürftig, dass damit wir auf Seiten der Großmacht Deutschland, militärisch in den Afghanistan-Konflikt eingreifen.


Der Zusammenhang „Eurofighter für die Euro-Armee bei gleichzeitiger Abschaffung der Neutralität“ ist nicht schwer zu durchschauen, denn nicht nur die ersten vier Buchstaben des Wortes „Eurofighter“ zeigen, dass der geplante Abfangjäger-Ankauf mehr mit der Euro-Armee als mit der NATO und schon gar nichts mit der Verteidigung der Neutralität zu tun hat. Eine falsche Behauptung ist, wir wären neutralitätsrechtlich zum Ankauf von Abfangjägern verpflichtet. Tatsächlich gibt es eine Verpflichtung zur Verteidigung der Neutralität „mit allen zu Gebote stehenden Mitteln“. Mit welchen konkreten Mitteln dies zu geschehen hat, ist aber eine politische Frage und nicht eine für die Rechtswissenschaften. Aber auch die Oppositionsparteien sagen nicht immer die ganze Wahrheit, nämlich dann, wenn sie der Bundesregierung permanent vorwerfen, mit dem Ankauf von Eurofightern ein „NATO-Anhängsel“ werden zu wollen, während sie absichtlich die Euro-Armee verschweigen. Warum gerade der Eurofighter? Es „sind Zielbekämpfungen über große Distanzen möglich, ohne sich selbst in den Bereich gegnerischer Waffenwirksamkeit begeben zu müssen [...] Dank seiner extremen Wendigkeit im Überschallbereich ist der Eurofighter allen vergleichbaren Flugzeugtypen bei BVR-Einsätzen überlegen“. Besonders hervorgehoben wird auch die Reichweite des Eurofighters. Durch externe Treibstoff-Zusatztanks kann er sich mehr als drei Stunden oder über eine Strecke von 2.800 Kilometern in der Luft halten. Dementsprechend heißt es auch in den Schlussfolgerungen eines internen von der rechten Partei vorgelegten Strategiepapiers zum Eurofighter: „Das Flugzeug ist eindeutig ein schweres Mehrkampfflugzeug mit der Fähigkeit, große Bombenlasten für Luft-Boden-Missionen über lange Strecken zu transportieren“.


Die Bevölkerung lehnt die Entsendung von Truppen im Fall eines Angriffs auf einen anderen EU-Staat mehrheitlich ab. 64 Prozent der Befragten sprechen sich demnach dagegen aus, dass unsere Soldaten einen anderen EU-Staat verteidigen. 27 Prozent meinen, dass wir militärischen Beistand leisten sollten. Neun Prozent der insgesamt 400 Befragten wollten sich nicht festlegen.


Eine ganz andere Gefahr kam noch hinzu – die europäische Wirtschaftspolitik:

Die große Koalition von der Sozialistischen Partei und Liberalen Partei , verbunden mit der Übernahme des Außenministeriums durch den Liberalen-Parteiobmann 1987, führte nach dessen Interpretation zu einer "realistischen Neutralitätspolitik", die insbesondere auf die Orientierung an der Interessenlage, auf Nichtintervention in internationalen Konflikten und auf eine Verstärkung der militärischen Dimension der Außenpolitik gerichtet war. Auf das anhaltende Drängen des Wirtschaftsflügels der Liberalen Partei, dem die andere (Arbeitnehmer-)Seite der Sozialpartnerschaft und schließlich auch die beiden Regierungsparteien folgten, wurde am 17. Juli 1989, noch vor den anderen neutralen europäischen Staaten, der Brief mit dem Ansuchen um Mitgliedschaft bei der EG in Brüssel deponiert.


- Verpflichtung aller EU-Mitgliedstaaten zu einer Wirtschaftspolitik, die „dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist“ (Art. III-69)

- Die exklusive Unionskompetenz für die Aushandlung und Annahme von Handelsverträgen wird auf den Bereich ausländischer Direktinvestitionen ausgedehnt

- Öffnen der Tür für die Liberalisierung/Privatisierung der öffentlichen Dienste im Bereich Soziales, Bildung und Gesundheit durch die Aufhebung der Vetomöglichkeit im EU-Ministerrat und durch die ...

... Ausschaltung der Mitbestimmung der nationalen Parlamente bei Handelsverträgen, die Dienstleistungen im  - Bereich Soziales, Bildung und Gesundheit betreffen

- Freihandel als Verfassungsauftrag für die Außen- und Sicherheitspolitik: Im Zielkatalog für das „auswärtige - - Handeln“ der EU findet sich u. a.: „Integration aller Länder in die Weltwirtschaft“, „Abbau von Beschränkungen des internationalen Handels“ (Art. II-188)

- Förderung der Atomindustrie: Über einen Annex („Kernenergie als unerlässliche Hilfsquelle“) wird der EURATOM-Vertrag in die EU-Verfassung aufgenommen


Aufgrund einer günstigen weltpolitischen Position wurde die fehlende politische Macht in konkreten Fällen der zentralen Konfliktformationen (Ost-West-, Nord-Süd-, Nahost- Konflikt) durch eine Vielzahl von Handlungsalternativen der Außenpolitik ersetzt. Zugleich war unsere Außenpolitik bis zum Ende der 80er-Jahre durch die Parallelität von Maßnahmen der Systemschließung und der Systemöffnung gekennzeichnet. Am deutlichsten zeigte sich das im Bereich der Wirtschaftsaußenpolitik, wo gleichzeitig der Waren- und Kapitaltransfer liberalisiert wurde - siehe den Beitritt zur Europäischen Freihandelszone (European Free Trade Association/EFTA) und die E(W)G-Assoziation - und, etwa zur Erhaltung der Arbeitsplätze, durch tarifäre bzw. nicht-tarifäre Normen Systemstrukturen vor ausländischer Konkurrenz geschützt wurden. Durch den Beitritt zur EG sind diese Strategien der Systemschließung großteils unzulässig geworden. Der Beitritt zur 1959/60 gegründeten EFTA war übrigens als sanfte Form einer Beteiligung an der europäischen Integration zu verstehen, nachdem alle ursprünglichen EG-Staaten gleichzeitig NATO-Mitglieder waren, zur EFTA aber auch die Schweiz und Schweden als neutrale Länder zählten.


Der Zusammenbruch des Kommunismus bzw. des real existierenden Sozialismus in Osteuropa hatte nicht nur weltgeschichtliche Dimension, sondern auch die Geschäftsbedingungen unserer Außenpolitik grundlegend verändert. Für uns hat die Veränderung des globalen Kontexts besonders im Bereich der Neutralität, einem der Eckpfeiler der Außenpolitik der zweimaligen Nachkriegszeit, Spuren hinterlassen. Die Mitgliedschaft in der EG seit 1. Jänner 1995 hat einen weiteren Veränderungsschub bewirkt, der in seiner Bedeutung mit dem Jahr 1955 (Staatsvertrag und Neutralitätsgesetz) auf eine Stufe gestellt werden kann. Angesichts der deutlichen Fokussierung außenpolitischer Aktivitäten auf die Intensivierung der Beziehungen zur EU sind andere Bereiche der  Außenpolitik zu Themen von sekundärer oder tertiärer Bedeutung geworden. Dazu zählen sogar die Beziehungen zu den zentral- und osteuropäischen Staaten (der Konflikt im ehemaligen Jugoslawien nimmt eine Sonderstellung ein). Viele Inhalte des heutigen Verhältnisses zu den Nachbarstaaten sind - siehe etwa das Schengener-Abkommen - der EU zuzuordnen, weil unsere Grenzen zum Teil gleichzeitig eine EU-Außengrenze darstellen. Der Nahost-Konflikt und die multilaterale Außenpolitik im Rahmen der Vereinten Nationen bzw. der OSZE, sowie Fragen des Nord-Süd-Verhältnisses stellen, mit den Ausnahmen der Beziehungen zur Volksrepublik China und zum südostasiatischen Raum, allenfalls ein Randthema dar.


In Summe scheint die Außenpolitik stärker als in den vergangenen Jahrzehnten von der wirtschaftlichen bzw. wirtschaftspolitischen Komponente und in jüngerer Zeit von sicherheitspolitischen Aspekten geprägt zu sein.


Der Bundeskanzler tischte der Regierung die neue, zu beschließende "Verteidigungs- und Sicherheitsdoktrin" auf. Die Inhalte dieses Papiers sind allesamt weder originell noch neu. Was in den vergangenen Jahren hunderte Male von neutralitätsfeindlichen Stellen proklamiert und behauptet wurde, was von Seiten der Regierungen dieser und vergangener Legislaturperioden an neutralitäswidrigen Aktionen getätigt wurde, soll nun offizielle – nämlich regierungsamtliche – Verteidigungsdoktrin werden.

Dem Unwert Neutralität wird der Wert Solidarität gegenübergesetzt. Wer die Neutralität abschaffen will, feiert sich selbst als Held der Solidarität. Was unter Solidarität verstanden wird, gibt die rechtsgerichtete-Doktrin unumwunden zu: "Die volle Teilnahme am euro-atlantischen Sicherheitsverbund". Da steckt also beides drin, was aus schwarzblauer Logik auch zusammengehört: Einerseits der unverhohlene Drang nach einer vollen NATO-Mitgliedschaft, andererseits die Stärkung und Vertiefung der militärischen Seite der EU.


"Wenn unser Land nach dem Willen der Mächtigen nicht einmal mehr in einem Krieg neutral sein darf, dann wird unsere Verfassung mit Füßen getreten." Der Salzburger Völkerrechtler Univ. Prof. Michael Geistlinger wies an Hand des Textes der entsprechenden UNO-Resolutionen nach, dass der Krieg der USA gegen Afghanistan darin keine Rechtfertigung fand und dass die Überfluggenehmigungen für US-Flugzeuge daher verfassungswidrig waren.


Zum Vorschlag Schwedens, Finnlands, Irlands und wir zu einer möglichen EU-Beistandspflicht sagte der Kanzler im Hauptausschuss des Nationalrates, er würde eine stärkere Formulierung in diesem Zusammenhang begrüßen. Der Vorschlag der vier Länder sieht vor, dass ein angegriffenes EU-Land um Hilfe bei den anderen Mitgliedern der Union ansuchen darf. Der Bundeskanzler wünschte sich eine stärkere Solidaritätsverpflichtung der neutralen und bündnisfreien EU-Staaten. Eine Beistandspflicht, so meinte der Bundeskanzler, in der EU keine Aufhebung, sondern eine "Modifikation" der Neutralität bedeuten würde. Er wies darauf hin, dass bereits der gesamte EU-Verfassungsvertrag eine Änderung der Verfassung bedeute. Zu diesen Ausführungen des Bundeskanzlers kann eigentlich nur gesagt werden, dass er eine Umfahrung der Neutralität sucht. Der Kanzler bemüht sich immer wieder die Neutralität abzumontieren, sie als überholt hinzustellen und unserer Zeit nicht mehr gerecht, aber genau das stimmt nicht. Die Neutralität ist noch immer am Leben und wird es auch bleiben. Die Regierung hatte 1955 diesen Staatsvertrag unterschrieben und der kann nicht wieder so ohne weiteres aufgelöst werden. Es muss einen Zusatz bei der Regierungskonferenz in Brüssel geben, um nicht nur die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Mitgliedsstaaten zu berücksichtigen, sondern auch die verfassungsrechtlichen Traditionen der Mitgliedsstaaten festzuschreiben. Der Kanzler hatte der sich schon mehrfach gegen die Neutralität ausgesprochen hat und die Bedeutung der Neutralität mit Mozartkugeln und Lipizzaner verglichen hatte. Es stelle sich daher die Frage, ob sie bei der Regierungskonferenz nicht "kleine Schlupflöcher" zulassen wollen und sich zu weichen Kompromissen durchringen, um weitere Argumente gegen die Neutralität zu erhalten. Die Außenministerin hatte sofort und ohne jede Einschränkung ihrem Parteichef  beigepflichtet. Kurz danach aber vollzog sie eine Kehrtwende: Die Neutralität vertrage sich keineswegs mit einem Automatismus militärischen Beistands. Die Außenministerin hatte innerhalb von sechs Tagen ihre Position um 180 Grad geändert - von klar für die militärische Beistandsverpflichtung hin zu klar gegen eine militärische Beistandsverpflichtung.


Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit gehen die Vorbereitungen für eine „schnelle Eingreiftruppe“ planmäßig voran. Ab Sommer werden 60.000 Soldatinnen im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) einsatzbereit sein. Die Truppe soll innerhalb von sechzig Tagen aus Kontingenten der Mitgliedsstaaten vollständig mobilisiert werden und ein Jahr im Einsatz gehalten werden können. Ein sicherheitspolitisches Komitee dient als Forum für militärische Fragen. Es fungiert nicht nur als zentrale Organisationsinstanz, sondern ist auch mit einer etwaigen Krisenbewältigung betraut. Unterstützt wird das sicherheitspolitische Komitee von einem Militärkomitee, das sich aus den Oberbefehlshaberinnen der Armeen der Mitgliedsstaaten zusammensetzt, sowie deren Mitarbeiterinnen, dem „military staff“, die für die strategische Planung und die Früherkennung von Krisen zuständig sind. Darüber hinaus unterzeichnete die EU im März dieses Jahres ein Abkommen mit der NATO über die militärische Zusammenarbeit (das so genannte „Berlin-Plus“ Abkommen), das der EU ermöglicht, auf die Kommando- und militärische Infrastruktur der NATO zurückzugreifen, sollte die EU eine Militäraktion durchführen wollen, an der sich nicht die gesamte Allianz beteiligen will.


„Die Neutralitätserklärung im Jahre 1955 war der richtige Schritt, hat aber nach dem Ende des kalten Krieges ihre Funktion verloren (...) Europa wächst wieder zusammen, in der Wirtschaft, in der Politik aber ebenso in der Sicherheit. Diese Sicherheit ist aber nur gewährleistet, wenn alle europäischen Staaten in schwierigen Zeiten zusammenhalten. Die europäischen Staaten, allen voran die Europäische Union, arbeiten am Aufbau einer neuen europäischen Sicherheitsordnung. Unser Land ist ein wichtiger Partner in Europa, unsere Teilnahme an der gemeinsamen Sicherheitspolitik trägt wesentlich zur Stabilität zur Stärke Europas bei. Hier geht es um die Solidarität mit unseren Partnern in Europa. Diese Solidarität löst die Neutralität schrittweise ab.

Die ursprünglichen Rahmenbedingungen für die Neutralität existieren nicht mehr (...) Tatsache ist, dass die internationale Staatengemeinschaft und insbesondere unsere Partner in Europa die Solidarität unseres Landes und die Mitwirkung für die gemeinsame Sicherheit erwarten. "Die Neutralität löst sich mit der Zeit ohnedies selbst auf", sagten der oberösterreichische Landeshauptmann, auch er, wie auch sein Chef, der Bundeskanzler auf derselben Welle. Jetzt war es aber klar geworden, wohin die Liberale Partei eigentlich wollte: "Ziel der Liberalen Partei ist es wohl, früher oder später die Neutralität zu entsorgen und den Weg in ein Militärbündnis frei zu machen". "Wenn die Liberale Partei die Neutralität entsorgen will, muss sie wenigstens den Mut aufbringen, das klar zu sagen und die BürgerInnen darüber befragen".


Nicht nur die Liberale Partei auch die Freiheitlichen hatten Stellung gegen die Neutralität bezogen. Die Freiheitlichen lehnte "die Neutralität als längst realitätsfern ab". "Alle Wahlen wieder, versucht die Sozialistische Partei mit der Neutralität Parteipolitik zu machen", meinte der Sprecher der Freiheitlichen. Dabei dürfen die Sozialisten den Vorwurf, dass die Bundesregierung seit 2000 die Neutralität aushöhlt oder sogar abschaffen will, wohl nicht erheben. Schließlich sei es die sozialistisch - geführte Regierung gewesen, die im Jahr 1999 eine gemeinsame Verteidigung der EU in der Verfassung beschlossen habe (Artikel 23 f). Die Vorstufe zu dieser gemeinsamen Verteidigung sei die Beistandsgarantie. Auch Kampfeinsätze, bei der Friedensbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen seien durch die Bundesverfassung zulässig. Das alles wurde 1999 durch die Sozialisten geführte Regierung ohne Befragung der Bevölkerung eingeführt. "Wir halten diese europäische Beistandsgarantie auf alle Fälle für wichtig und notwendig und sie ist auch im gemeinsamen Regierungsprogramm so verankert. Die Beistandsgarantie ist ein wichtiger Schritt in der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik", sagte der Sprecher der Freiheitlichen. Diese Beistandsgarantie sei gerade für kleine Länder wie unseres auf Dauer absolut notwendig und stelle eine Sicherheitsgarantie für das Land durch die Gesamtorganisation dar. "Selbstverständlich gilt das Neutralitätsgesetz, dazu steht die Freiheitliche Partei auch, aber im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung ist es auch für uns möglich, an der europäischen Beistandsgarantie teilzunehmen". "Ich freue mich, dass wir erstmals vollberechtigt teilnehmen können" bestätigt die immer vorhandene strikte Ablehnung der Neutralität durch die Freiheitlichen. Der Verteidigungsminister hat sich immer für die Abschaffung der Neutralität stark gemacht. So wollte er z.B. die Freiwilligkeit bei Auslandseinsätzen aufheben. Auch beim geplanten Kauf der Eurofighter stand die Aushebelung der Neutralität im Vordergrund.


Die Grünen, für die bisher die Neutralität unveräußerlich schien, schwenken nun in Gestalt ihres Sicherheitssprechers um: Im Hinblick auf die gemeinsamen Bedürfnisse einer europäischen Sicherheitspolitik sei die Neutralität so nicht mehr haltbar. Allerdings wollen die Grünen Verteidigung und Sicherheit nicht mehr unter rein militärischen, sondern zivilen, umwelt- und gesellschaftlichen Aspekten interpretiert sehen." Ein Abgeordneter der Grünen sagte, Sinn eines Zusammenschlusses mehrerer Demokratien könne nur sein, internationalem Recht zum Durchbruch zu verhelfen. Es könne also nicht die neue Sicherheitsphilosophie sein, dem stärksten Militärbündnis der Welt, der NATO, beizutreten. Wir sollten sich als kleine Demokratie stattdessen einem System anschließen, wo das internationale Recht gestärkt wird.


Die Sozialausgaben sollen stark gekürzt werden, die Militärausgaben werden von keinem Sparstift betroffen sein - im Gegenteil: die Anforderung von Milliardenbeträgen für den Ankauf neuer Waffen wurde angekündigt. Ein NATO-Beitritt würde sogar eine Verdoppelung der Militärausgaben nach sich ziehen.

Jede Form der Einbindung in Militärbündnisse bedeutet letztlich, dass nicht nur eine milliardenschwere Aufrüstung des Bundesheeres auf EU- bzw. NATO-Niveau bei gleichzeitiger Zerstörung des Sozialstaates erfolgt, sondern dass durch die damit verbundene Beistandspflicht künftig auch österreichische Soldaten auf Schlachtfeldern für die Interessen der Konzerne der EU bzw. NATO bluten oder sterben müssen. Bestätigt wird diese Aussage durch den vom Stockholmer International Peace Research Institut (SIPRI) ausgewiesenen Wert von Rüstungsausgaben von 1.15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für unser Land. Norwegen weist einen mehr als das Doppelte so hohen Wert auf. Gemessen am NATO-Durchschnitt von 3.7 Prozent hat sich unser Land sogar 100 Millionen Rüstungsausgaben erspart. Die Neutralität ist - bei aktiver Anwendung und konsequenter Weiterentwicklung - nicht nur die für uns eine adäquate Sicherheitspolitik, sondern auch ein Ansatz für eine Politik des Friedens, der Abrüstung und Entspannung in Europa und darüber hinaus.


Neutralität hat Zukunft, denn sie ermöglicht ein friedliches Land für die Verhinderung und Lösung von Konflikten zu wirken, Vorschläge für Friedenssicherung und Abrüstung international vorzubringen, den Ausbau jener internationalen Organisationen zu betreiben, in denen alle Staaten gleichberechtigt zusammenarbeiten können, wie der OSZE.