Der Bundeskanzler sprach über die Neutralität. Dass
sie nur noch eine "alte Schablone" sei, dass sie in der
"komplexen Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts" keinen Platz mehr habe.
Wer sich anschickt, just am Nationalfeiertag ein Gesetz im Verfassungsrang mit
einem Konfekt im Schokolademantel zu vergleichen, kann weder im Umgang mit
potentiellen Wählerstimmen besonders geschickt sein. Der Bundeskanzler,
"dem nachgesagt wird, er halte die Neutralität grundsätzlich für
überlebt", habe der Initiative Frankreichs, Großbritanniens und
Deutschlands, eine gegenseitige Beistandspflicht der EU-Staaten zu formulieren,
sofort vehement beigepflichtet. Die Menschen, die in der Neutralität weiterhin
"eine Art Staatsideologie der Friedlichkeit" sähen, wüssten die Politiker,
"dass seit dem Beitritt zur EU die Neutralität nur noch eine 'Restgröße'
ist". Deshalb erfolgt die Entsorgung der Neutralität schrittweise in
„homöopathischen Dosen“ (siehe auch die folgende Chronologie fortgesetzter
Neutralitätsverletzungen). Als Gleitmittel der zunehmenden Militarisierung
erweist sich einmal mehr die Europäische Integration. Aus der These „Beitritt
zur NATO“ und der Antithese „Beibehaltung der Neutralität“ wird „hinter dem
Rücken“ der Öffentlichkeit die Synthese „Mitgliedschaft in einem EU-Militärblock“.
Mit der endgültigen Entscheidung der SPÖ 1989, einen
EG-Beitrittsantrag zu stellen, wurde der Weg für den so genannten „Brief nach
Brüssel“ frei, nachdem zuvor schon die Industriellenvereinigung, die rechte
Partei und die liberale Partei und im Wesentlichen die Sozialpartner einen
EG-Beitritt Österreichs forderten. Der Preis dafür war zu diesem Zeitpunkt noch
ein Neutralitätsvorbehalt, der sich freilich im Ergebnis der
Beitrittsverhandlungen mit der EU 1994 nicht mehr findet. Hier wird die volle
Teilnahme an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU
fixiert, so wie sie im Vertrag von Maastricht formuliert wird. Dabei wurde
schon 1991 mit der neutralitätswidrige Gewährung von Überflugs- und
Panzerdurchfuhrgenehmigungen für die Alliierten im Krieg gegen den Irak
demonstriert, wohin die Reise gehen soll. Der Krieg gegen den Irak markiert
aber „nur“ den Auftakt einer Geschichte fortgesetzter Neutralitätsverletzungen
in den 1990er-Jahren. In vorauseilendem Gehorsam erklärt der damalige
Außenminister und heutige Bundeskanzler beim WEU-Ministerrat in Lissabon 1995
die Bereitschaft unseres Landes, an diesem „Krisenmanagement“ teilzunehmen.
Noch im selben Jahr folgt die Entscheidung, sich unter NATO-Kommando am
IFOR-Einsatz in Bosnien-Herzegowina zu beteiligen. Aus dem Wust rechtlicher
Anpassungen, die die Neutralität immer mehr untergraben. Unser Land wird sich
auch an der ab 2003 geplanten Euro-Armee mit einem Kontingent von 3.500 Mann
und Frau beteiligen, Kostenpunkt: 360
Millionen. Bereitgestellt werden sollen ein gepanzerter Infanterieverband,
bedarfsbezogen verstärkt mit Panzern, Panzergrenadieren bzw. mit Fliegerabwehr.
Weiters ein leichter Infanterieverband und eine ABC-Abwehreinheit. Dazu der
Verteidigungsminister offenherzig martialisch: Es muss „klar sein, dass
mancherorts geäußerte Meinungen, unser Land solle sich auf ´soft security´
konzentrieren, d. h. Friedenserhaltung, Katastrophenhilfe, Such- und
Rettungsdienste und ziviles Krisenmanagement, an der Realität völlig
vorbeigehen. Solches entspricht weder dem gemeinsam
festgelegten europäischen Bedarf, noch würde es den Erfordernissen aktueller
Konfliktszenarien genügen“.
Einundvierzig Jahre ist es her, dass der Nationalrat
ein Gesetz verabschiedete, das gemeinsam mit dem Staatsvertrag eine ganze
Periode unserer Geschichte abschloss und unser Land nach dem Zweiten Weltkrieg
wieder in seine volle Souveränität einsetzte. Die immerwährende Neutralität
sollte vielmehr, wie es im Gesetz heißt, die dauernde Behauptung der Unabhängigkeit
nach außen und die Unverletzlichkeit seines Gebiets gewährleisten. Hier muss
daran erinnert werden, dass die Neutralität in den Jahren vor 1955 von der
Liberalen Partei, der Sozialistischen Partei und dem Vorläufer der
Freiheitlichen Partei, die längste Zeit abgelehnt wurde. Nur die Kommunisten
haben seit 1953 den neutralen Status gefordert und sind in dieser Sache nach
einer vorübergehenden kurzen Schwankung im Jahr 1954 konsequent geblieben. Als
es dann zur Vereinbarung in Moskau im April 1955 kam, die den Weg zum
Staatsvertrag ebnete, gingen auch die Liberale Partei und Sozialistische Partei
auf die Position der Neutralität über. Die Vorläufer der Freiheitlichen
hingegen - und auch daran ist es nützlich und lehrreich zu erinnern - stimmten
dagegen. Damit kann die Freiheitliche Partei für sich beanspruchen, immer schon
gegen die Neutralität gewesen zu sein.
Am 26. Oktober 1955 beschloss der Nationalrat das
Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität. In diesem Neutralitätsgesetz
heißt es, dass "aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität"
erklärt. Darin erklärt unser Land keinen militärischen Bündnissen beizutreten,
sich selbst "mit allen zu Gebot stehenden Mitteln" zu verteidigen und
die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiet
nicht zuzulassen. Der Kern der immerwährenden Neutralität ist aber die
völkerrechtliche Verpflichtung, sich nicht an Kriegen zu beteiligen. Auch im
Frieden ist ein neutraler Staat dazu verpflichtet eine neutralitätssichernde
Politik zu machen, was auch den wirtschaftlichen Bereich einschließt.
Das Neutralitätsgesetz und das Moskauer Memorandum
vom 15. April 1955 und der Staatsvertrag vom 15. Mai 1955 bilden eine
politische Einheit.
Der Staatsvertrag schreibt vor:
- die Wiederherstellung der österreichischen
Unabhängigkeit,
- die Unabhängigkeit Österreichs von Deutschland,
- die Wahrung der demokratischen Regierungsform,
- die Rechte slowenischer und kroatischer
Minderheiten,
- die Verhinderung des Wiederauflebens des
Nationalsozialismus und
- die Beschränkung der Wehrhoheit Österreichs.
Bundesverfassungsgesetz vom
26. Oktober 1955 über die Neutralität Österreichs
(kurz: Neutralitätsgesetz)
(kurz: Neutralitätsgesetz)
Artikel I
(1) Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner
Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes
erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität.
Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln
aufrechterhalten und verteidigen.
(2) Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in
aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung
militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen.
Artikel II
Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes
ist die Bundesregierung betraut.
Nachdem sich die österreichische Außenpolitik als
Folgewirkung des Zweiten Weltkriegs und des Wiederaufbaus von 1955 bis etwa
1970 vor allem auf die Kontakte zu den Mitunterzeichnern des Staatsvertrags und
zu den unmittelbaren Nachbarstaaten konzentriert hatte, wurde ihr Wirkungskreis
seit etwa Ende der 60er-/Anfang der 70er-Jahre auf die restlichen europäischen
Staaten und Nordamerika erweitert und schließlich in der "Ära
Kreisky" (1970–1983) in Richtung auf eine globale Perspektive fortentwickelt.
Profilieren konnte sich unser Land als Vertreter einer aktiven
Neutralitätspolitik nach 1975 weiters im Rahmen der KSZE/OSZE.
Aufgrund von historischen und
geographisch-sicherheitspolitischen Gegebenheiten entschlossen wir uns zu einer
im Vergleich zur Schweiz aktiven und dynamischen Neutralitätspolitik; wir
wurden zum Beispiel bereits im Dezember 1955 Mitglied der UNO. Weitgehende
Veränderungen für die Neutralität brachte erstmals der 2. Golfkrieg 1990/91
(mit Überflugsgenehmigungen für NATO-Flugzeuge). Vor allem im Zusammenhang mit
unserem Beitritt zur Europäischen Union und den Beschlüssen zur Schaffung eines
europäischen Sicherheitssystems wird die Rolle der Neutralität diskutiert und
relativiert.
Im Zuge dieser Entwicklungen sprach zunächst der
Außenminister von der Notwendigkeit, die Neutralität in Richtung auf eine
verstärkte internationale Solidarität zu verändern.
Wie wir wissen, ist unser Land in den Jahrzehnten
danach mit der Neutralität gut gefahren. Die Neutralität war und ist dem
Kleinstaatstatus einzig adäquat und wie auf den Leib geschneidert. Wir haben
auch ein durchaus eigenständiges Neutralitätsverständnis entwickelt, eine
aktive Neutralitätspolitik betrieben, die die Möglichkeiten zu einem
kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Brückenschlag zwischen Ost und
West, zum Engagement in internationalen Friedensaufgaben nützte. Dadurch
gewannen wir in der Staatenwelt ein hohes Ansehen, es wurde als ein Ort
geachtet, wo Begegnung und Austausch, Vermittlung und Gespräch in
Konfliktfällen der internationalen Beziehungen stattfinden konnten. Entgegen
diesem Willen und Grundgefühl der großen Mehrheit unserer Bevölkerung betreiben
die politischen Eliten bei uns nun schon seit Jahren eine systematische
Aushöhlung und Demontage der Neutralität. Nach den Ereignissen von 1989 und dem
Zerfall der Sowjetunion 1991 wurde dann die Neutralität plötzlich als überholt
und wertlos erklärt, als Relikt einer besonderen Situation der
Kalten-Kriegs-Vergangenheit, die nun durch den Wegfall der Ost-West-Konfrontation
obsolet geworden sei. Diese Propagandawelle der letzten Jahre zeigt bereits
Auswirkungen. Meinungsumfragen zufolge nimmt die Zahl der Befürworter der
Neutralität seit einiger Zeit ab, zwar langsam, weil dieselben Kräfte
jahrzehntelang von der Neutralität das Gegenteil behaupteten und sie priesen,
aber doch. Wenn es so weitergeht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis dieses
Ziel, das Sinken unter die Fünfzig-Prozent-Marke, erreicht ist. Dann wird man
plötzlich zu hören bekommen, dass eine Volksabstimmung über die Abschaffung der
immerwährenden Neutralität eigentlich doch angebracht sei. Konfliktvermeidung
und Konfliktvermittlung ohne Parteinahme zeichnen eine Neutralität aus, wie sie
sein soll. Als Mitglied der NATO und der Westeuropäischen Union können wir nie
und nimmer diesem Auftrag gerecht werden. Die Neutralität ist und bleibt daher
ein lebenswichtiger und glaubwürdiger Vorteil gegenüber dem Beitritt zu einem
Militärbündnis.
Die NATO-Anbindung an uns passierte auf leisen Wegen.
Durch die „Partnerschaft für den Frieden“ sind wir bereits an eine
Vorfeldorganisation der NATO gebunden. Die Fragestellung nach den Optionen
neutraler Politik tritt in den Hintergrund, da die Neutralität scheibchenweise
abgeschafft wird. Wir befinden uns nicht in der luxuriösen Situation, in Bezug
auf die Sinnhaftigkeit des Bundesheeres und alternativer friedenspolitischer
Konzepte Begehrlichkeiten an die Regierung zu richten. Die Neutralität muss die
Regierung als Bestandteil der Bundesverfassung akzeptieren, anstatt das Bundesheer
auf künftige Kriege vorzubereiten. Viele Bundesheerangehörige und Milizionären,
fühlen sich aufrichtig der Neutralität verpflichtet und das viele besorgt sind
über die Richtung der Politik in dieser Frage. Menschenrechtsverletzungen
werden durch militärisches Eingreifen und damit einhergehend mit weitergehenden
Menschenrechtsverletzungen nicht revidiert. Ein Land, das es sich leisten kann,
eine neutrale, eine vermittelnde Position einzunehmen, kann dazu einen
beachtlichen Beitrag leisten. Unser Land hat die realpolitische Möglichkeit,
sich als friedensstiftendes, als in Konflikten vermittelndes Land zu
etablieren! Warum sollte es angesichts dieses Fortschrittes der Zivilisation,
die heute bereits Kriege als ein Übel betrachtet, nicht auch möglich sein, den
Krieg abzuschaffen?
Auf internationaler Ebene wurden die Neutralität und
die auf ihrer Grundlage praktizierte Außenpolitik ausnahmslos anerkannt und
geschätzt, sowie letztlich zum unverkennbaren Markenzeichen unseres Landes in
seinen internationalen Beziehungen.
Aus dem Verständnis immerwährend neutral zu sein,
wurde die Sichtweise einer differentiellen Neutralität entwickelt. Das
ermöglichte die Teilnahme an der EU und an ihrer seit dem Maastricht-Vertrag
intendierten Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) ohne besondere
Interpretationsprobleme, obwohl die Beteiligung an Sanktionen gegenüber
Drittstaaten zur Voraussetzung wird.
Mit dem Beitritt in die Europäische Union kam jetzt
auch noch eine andere Gefahr hinzu:
Die EU – Verfassung:
- Verpflichtung zur Aufrüstung für alle
EU-Mitglieder: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen
Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“ (Art. I-40)
- Einrichtung eines „Europäischen Amtes für Rüstung,
Forschung und militärische Fähigkeiten“, um die Rüstungsindustrie zu stärken
- Ermächtigung zu weltweiten Militärinterventionen
(„Kampfeinsätze im Rahmen der Krisenbewältigung“) ohne räumliche Einschränkung,
ohne Bindung an ein UN-Mandat
- Militärische Beistandsverpflichtung im Kampf gegen
den „Terrorismus“, Freibrief zur Aufstandsbekämpfung in „Drittstaaten“ unter
dem Deckmantel der „Terrorbekämpfung“
- Einrichtung eines militärischen Kerneuropas: Länder
mit „anspruchsvollen Kriterien in Bezug auf die militärischen Fähigkeiten“
(Art. I-40)
- Ermöglichung des Einsatzes von EU-Streitkräften im
Inneren, wenn „Interessen und Werte der Union gefährdet sind“ (Art. I-40).
Nach dem EU-Beitritt ging es dann Schlag auf Schlag:
(1)
1.1.1995: Unser Land wird Beobachter bei der WEU. Die
WEU bekennt sich in den sog. „Petersburger Missionen“ bereits offen zum
globalen militärischen Interventionismus, auch ohne UNO-Mandat
10. 2. 1995: Unser Land wird Mitglied bei der
„NATO-Partnerschaft für den Frieden“ (PfP). Die NATO verfolgt mit der PfP
ausdrücklich das Ziel, potentielle neue Mitglieder auf ihre künftige
Mitgliedschaft in der NATO vorzubereiten
15. 5. 1995: WEU-Ministerrat in Lissabon: Der Kanzler
erklärt die Bereitschaft, am Krisenmanagement im Rahmen der
Petersberg-Missionen teilzunehmen.
12. 12. 1995: Ministerratsbeschluss, sich am
IFOR-Einsatz in Bosnien-Herzegowina unter NATO-Kommando zu beteiligen.
1996: gemeinsame Manöver mit der NATO, z.B.
„Cooperative Osprey“ in den USA, „Cooperative Lantern“ in der BRD und die
Katastrophenübung „Viribus Unitis“ in Ostösterreich in Zusammenarbeit mit der
NATO-Zentrale in Brüssel.
12. 11. 1996: Der Ministerrat nimmt das
„Sicherheitsabkommen mit der WEU“ an. Unser Land unterstützt damit das Ziel,
die „Petersberg-Aufgaben“ im EU-Vertrag zu verankern und die WEU als direkten
militärischen Arm der EU zu installieren.
19. 11. 1996: Der Außenminister erklärt anlässlich
des WEU-Ministerrates in Ostende die Bereitschaft unseres Landes, an
militärischen Interventionen der WEU teilzuhaben.
1997: monatlich überfliegen bis zu 2.500
Militärflugzeuge verschiedener NATO-Länder Österreich Richtung Bosnien.
11. 1. 1997: Anlässlich des Besuches von
NATO-Generalsekretär Solana in Wien unterzeichnet Schüssel ein
NATO-Truppenstatut, das die Grundlage für den Aufenthalt ausländischer Truppen
in unserem Land und damit auch für Übungen der PfP-Mitglieder auf
österreichischem Boden ist. Zugleich erleichtert es die Teilnahme
österreichischer Soldaten an PfP-Übungen im Ausland.
21. 4. 1997: Beschluss des Entsendegesetzes. Damit
können unsere Truppen in Hinkunft im Rahmen jeder internationalen Organisation,
d. h. nicht nur UNO oder OSZE, sondern auch NATO oder EU, zum Einsatz gebracht
werden.
17. – 20. 6. 1997: Reform des Maastricht-Vertrages
durch den EU-Vertrag von Amsterdam. U. a. verpflichten sich die EU-Staaten auf
die „schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik“. Die
„Petersberg-Aufgaben“, d. h. der Freibrief zum globalen militärischen
Interventionismus, wird Bestandteil des EU-Vertrages.
13. 5. 1998: Der Nationalrat ratifiziert das
NATO-Truppenstatut.
18. 6. 1998: Der Nationalrat ratifiziert den
EU-Vertrag von Amsterdam. Gleichzeitig wird handstreichartig eine
Kriegsermächtigung in den Verfassungsrang erhoben (Artikel 23f): ab dem
Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages können Bundeskanzler und Außenminister
Österreich an Kriegen der EU beteiligen – weltweit, auch ohne UNO-Mandat (sh.
unten).
November 1998: der Ministerrat beschließt die
Teilnahme an der sog. „erweiterten NATO-Partnerschaft für den Frieden“ (PfP plus).
Damit sind wir in die NATO-Kommandostrukturen eingebunden und kann auch an
militärischen Kampfeinsätzen („peace-enforcement“) teilnehmen
März 1999: Bundeskanzler stimmt im EU-Rat für die
Unterstützung des NATO-Angriffskrieges auf Jugoslawien.
1. 5. 1999: Der Kriegsermächtigungsartikel 23 f tritt
zeitgleich mit dem Vertrag von Amsterdam in Kraft
2./ 3. 6. 1999: EU-Gipfel in Köln bringt den
Durchbruch in Richtung Militarisierung der EU: Integration des Militärpaktes
WEU in die EU, Aufbau einer gemeinsamen europäischen Rüstungsindustrie,
Bekräftigung der Bereitschaft zum weltweiten Interventionismus. Javier Solana,
NATO-Generalsekretär während des Jugoslawienkrieges, wird zum neuen Mr. GASP
gewählt, um der EU eine „sicherheits- und verteidigungspolitische Identität“ zu
geben. Der Kern eines künftigen EU-Kriegsministeriums wird geschaffen:
regelmäßige Treffen der EU-Verteidigungsminister, Schaffung eines
sicherheitspolitischen Ausschusses, eines EU-Militärausschusses sowie eines
EU-Militärstabes in Brüssel
Juni 1999: Einsatz unserer Soldaten im Kosovo unter
(deutschem) NATO-Kommando
10./11. 12. 1999: Der EU-Gipfel in Helsinki
beschließt die Aufstellung einer EU-Interventionsstreitmacht bis 2003. Stärke:
60.000 Mann, Aktionsradius: 6.000 Kilometer, Einsatzdauer bis zu einem Jahr.
Der Verteidigungsminister erklärt, dass wir mit 2.500 Mann an dieser
Interventionstruppe beteiligen wird.
Jänner/Februar 2000: sowohl im kurzzeitigen
SP-VP-Koalitionspakt als auch im anschließenden schwarz-blauen
Regierungsprogramm findet sich die Bereitschaft, an den zukünftigen
EU-Interventionsstreitkraft voll teilzuhaben, sich für eine
EU-Beistandsverpflichtung einzusetzen und neue Abfangjäger und
Kampfhubschrauber anzukaufen. Weiters stellt die
Liberalen-Freiheitlichen-Regierung den Antrag auf Beitritt zur
„westeuropäischen Rüstungsgruppe“ (Weag), dem Koordinierungsgremium für
Rüstungsaufträge.
23. Jänner 2001: Der Ministerrat beschließt den
Analyse-Teil der neuen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin, in dem u. a.
formuliert wird, dass wir nicht mehr neutral, sondern nur noch bündnisfrei
seien.
Februar 2001: Das Bundesheer probt im Manöver
„Waldviertel 2001“ den Krieg mit
Tschechien.
April 2001: Das Bundesheer probt in den Tiroler Alpen
im Großmanöver „Kristall
2001“ zum ersten Mal den Einsatz „out of area“.
10. Mai 2001: Der Nationalrat novelliert das
Kriegsmaterialgesetz. Die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial ist jetzt
auch unabhängig von einem UNO-Sicherheitsratsmandat möglich z. B. für
„Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung“. Alle verbalen Bezüge zur Neutralität
werden ersatzlos gestrichen. Gleichzeitig wird ein Truppenaufenthaltsgesetz
beschlossen, um den „Aufenthalt ausländischer Truppen auf unserem
Hoheitsgebiet“ – auch unabhängig von einem UNO Sicherheitsratsmandat
– zu regeln. Die Aufenthaltsdauer wird an keiner
Stelle des Gesetzes begrenzt.
10.-20. September 2001: Das Bundesheer empfängt im
Rahmen der NATO-PfP
Truppen aus 20 Staaten, darunter aus Kanada, den USA,
Italien, Griechenland und Polen zu einem gemeinsamen NATO-Manöver „Coorperative
Best Effort“ auf dem Truppenübungsplatz Seetaleralpen der Steiermark.
21. November 2001: Der Nationalrat beschließt mit den
Stimmen von den Parlamentsparteien die Ratifizierung des EU-Vertrages von
Nizza, der eine wesentliche Grundlage für die gemeinsame Euro-Armee ist. Beim
EU-Gipfel von Nizza wurden die politischen und militärischen Führungsstrukturen
der Euro-Armee beschlossen. Damit hat die Friedens- und Neutralitätsbewegung
bei den Führungen der Parlamentsparteien keine Verbündeten mehr.
17. Jänner 2002: Der Nationalrat beschließt mit den
Stimmen von den Parlamentsparteien die Entsendung von Soldaten unter deutschem
Kommando nach Afghanistan im Rahmen der IASF-Mission. Es handelt sich um ein
„robuste Mandat“, d.h. kein Peace-keeping-, sondern ein Kampfeinsatz. Das
UN-Mandat verdeckt nur notdürftig, dass damit wir auf Seiten der Großmacht
Deutschland, militärisch in den Afghanistan-Konflikt eingreifen.
Der Zusammenhang „Eurofighter für die Euro-Armee bei
gleichzeitiger Abschaffung der Neutralität“ ist nicht schwer zu durchschauen,
denn nicht nur die ersten vier Buchstaben des Wortes „Eurofighter“ zeigen, dass
der geplante Abfangjäger-Ankauf mehr mit der Euro-Armee als mit der NATO und
schon gar nichts mit der Verteidigung der Neutralität zu tun hat. Eine falsche
Behauptung ist, wir wären neutralitätsrechtlich zum Ankauf von Abfangjägern
verpflichtet. Tatsächlich gibt es eine Verpflichtung zur Verteidigung der
Neutralität „mit allen zu Gebote stehenden Mitteln“. Mit welchen konkreten
Mitteln dies zu geschehen hat, ist aber eine politische Frage und nicht eine
für die Rechtswissenschaften. Aber auch die Oppositionsparteien sagen nicht
immer die ganze Wahrheit, nämlich dann, wenn sie der Bundesregierung permanent
vorwerfen, mit dem Ankauf von Eurofightern ein „NATO-Anhängsel“ werden zu
wollen, während sie absichtlich die Euro-Armee verschweigen. Warum gerade der
Eurofighter? Es „sind Zielbekämpfungen über große Distanzen möglich, ohne sich
selbst in den Bereich gegnerischer Waffenwirksamkeit begeben zu müssen [...]
Dank seiner extremen Wendigkeit im Überschallbereich ist der Eurofighter allen
vergleichbaren Flugzeugtypen bei BVR-Einsätzen überlegen“. Besonders
hervorgehoben wird auch die Reichweite des Eurofighters. Durch externe
Treibstoff-Zusatztanks kann er sich mehr als drei Stunden oder über eine
Strecke von 2.800 Kilometern in der Luft halten. Dementsprechend heißt es auch
in den Schlussfolgerungen eines internen von der rechten Partei vorgelegten
Strategiepapiers zum Eurofighter: „Das Flugzeug ist eindeutig ein schweres
Mehrkampfflugzeug mit der Fähigkeit, große Bombenlasten für
Luft-Boden-Missionen über lange Strecken zu transportieren“.
Die Bevölkerung lehnt die Entsendung von Truppen im
Fall eines Angriffs auf einen anderen EU-Staat mehrheitlich ab. 64 Prozent der
Befragten sprechen sich demnach dagegen aus, dass unsere Soldaten einen anderen
EU-Staat verteidigen. 27 Prozent meinen, dass wir militärischen Beistand
leisten sollten. Neun Prozent der insgesamt 400 Befragten wollten sich nicht
festlegen.
Eine ganz andere Gefahr kam noch hinzu – die
europäische Wirtschaftspolitik:
Die große Koalition von der Sozialistischen Partei
und Liberalen Partei , verbunden mit der Übernahme des Außenministeriums durch
den Liberalen-Parteiobmann 1987, führte nach dessen Interpretation zu einer
"realistischen Neutralitätspolitik", die insbesondere auf die
Orientierung an der Interessenlage, auf Nichtintervention in internationalen
Konflikten und auf eine Verstärkung der militärischen Dimension der
Außenpolitik gerichtet war. Auf das anhaltende Drängen des Wirtschaftsflügels
der Liberalen Partei, dem die andere (Arbeitnehmer-)Seite der
Sozialpartnerschaft und schließlich auch die beiden Regierungsparteien folgten,
wurde am 17. Juli 1989, noch vor den anderen neutralen europäischen Staaten,
der Brief mit dem Ansuchen um Mitgliedschaft bei der EG in Brüssel deponiert.
- Verpflichtung aller EU-Mitgliedstaaten zu einer
Wirtschaftspolitik, die „dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem
Wettbewerb verpflichtet ist“ (Art. III-69)
- Die exklusive Unionskompetenz für die Aushandlung
und Annahme von Handelsverträgen wird auf den Bereich ausländischer
Direktinvestitionen ausgedehnt
- Öffnen der Tür für die Liberalisierung/Privatisierung
der öffentlichen Dienste im Bereich Soziales, Bildung und Gesundheit durch die
Aufhebung der Vetomöglichkeit im EU-Ministerrat und durch die ...
... Ausschaltung der Mitbestimmung der nationalen
Parlamente bei Handelsverträgen, die Dienstleistungen im - Bereich Soziales, Bildung und Gesundheit
betreffen
- Freihandel als Verfassungsauftrag für die Außen-
und Sicherheitspolitik: Im Zielkatalog für das „auswärtige - - Handeln“ der EU
findet sich u. a.: „Integration aller Länder in die Weltwirtschaft“, „Abbau von
Beschränkungen des internationalen Handels“ (Art. II-188)
- Förderung der Atomindustrie: Über einen Annex
(„Kernenergie als unerlässliche Hilfsquelle“) wird der EURATOM-Vertrag in die
EU-Verfassung aufgenommen
Aufgrund einer günstigen weltpolitischen Position
wurde die fehlende politische Macht in konkreten Fällen der zentralen
Konfliktformationen (Ost-West-, Nord-Süd-, Nahost- Konflikt) durch eine
Vielzahl von Handlungsalternativen der Außenpolitik ersetzt. Zugleich war
unsere Außenpolitik bis zum Ende der 80er-Jahre durch die Parallelität von
Maßnahmen der Systemschließung und der Systemöffnung gekennzeichnet. Am
deutlichsten zeigte sich das im Bereich der Wirtschaftsaußenpolitik, wo
gleichzeitig der Waren- und Kapitaltransfer liberalisiert wurde - siehe den
Beitritt zur Europäischen Freihandelszone (European Free Trade
Association/EFTA) und die E(W)G-Assoziation - und, etwa zur Erhaltung der
Arbeitsplätze, durch tarifäre bzw. nicht-tarifäre Normen Systemstrukturen vor
ausländischer Konkurrenz geschützt wurden. Durch den Beitritt zur EG sind diese
Strategien der Systemschließung großteils unzulässig geworden. Der Beitritt zur
1959/60 gegründeten EFTA war übrigens als sanfte Form einer Beteiligung an der
europäischen Integration zu verstehen, nachdem alle ursprünglichen EG-Staaten
gleichzeitig NATO-Mitglieder waren, zur EFTA aber auch die Schweiz und Schweden
als neutrale Länder zählten.
Der Zusammenbruch des Kommunismus bzw. des real
existierenden Sozialismus in Osteuropa hatte nicht nur weltgeschichtliche
Dimension, sondern auch die Geschäftsbedingungen unserer Außenpolitik
grundlegend verändert. Für uns hat die Veränderung des globalen Kontexts
besonders im Bereich der Neutralität, einem der Eckpfeiler der Außenpolitik der
zweimaligen Nachkriegszeit, Spuren hinterlassen. Die Mitgliedschaft in der EG
seit 1. Jänner 1995 hat einen weiteren Veränderungsschub bewirkt, der in seiner
Bedeutung mit dem Jahr 1955 (Staatsvertrag und Neutralitätsgesetz) auf eine
Stufe gestellt werden kann. Angesichts der deutlichen Fokussierung
außenpolitischer Aktivitäten auf die Intensivierung der Beziehungen zur EU sind
andere Bereiche der Außenpolitik zu
Themen von sekundärer oder tertiärer Bedeutung geworden. Dazu zählen sogar die
Beziehungen zu den zentral- und osteuropäischen Staaten (der Konflikt im
ehemaligen Jugoslawien nimmt eine Sonderstellung ein). Viele Inhalte des
heutigen Verhältnisses zu den Nachbarstaaten sind - siehe etwa das
Schengener-Abkommen - der EU zuzuordnen, weil unsere Grenzen zum Teil
gleichzeitig eine EU-Außengrenze darstellen. Der Nahost-Konflikt und die
multilaterale Außenpolitik im Rahmen der Vereinten Nationen bzw. der OSZE,
sowie Fragen des Nord-Süd-Verhältnisses stellen, mit den Ausnahmen der
Beziehungen zur Volksrepublik China und zum südostasiatischen Raum, allenfalls
ein Randthema dar.
In Summe scheint die Außenpolitik stärker als in den
vergangenen Jahrzehnten von der wirtschaftlichen bzw. wirtschaftspolitischen
Komponente und in jüngerer Zeit von sicherheitspolitischen Aspekten geprägt zu
sein.
Der Bundeskanzler tischte der Regierung die neue, zu
beschließende "Verteidigungs- und Sicherheitsdoktrin" auf. Die
Inhalte dieses Papiers sind allesamt weder originell noch neu. Was in den
vergangenen Jahren hunderte Male von neutralitätsfeindlichen Stellen
proklamiert und behauptet wurde, was von Seiten der Regierungen dieser und
vergangener Legislaturperioden an neutralitäswidrigen Aktionen getätigt wurde,
soll nun offizielle – nämlich regierungsamtliche – Verteidigungsdoktrin werden.
Dem Unwert Neutralität wird der Wert Solidarität
gegenübergesetzt. Wer die Neutralität abschaffen will, feiert sich selbst als
Held der Solidarität. Was unter Solidarität verstanden wird, gibt die
rechtsgerichtete-Doktrin unumwunden zu: "Die volle Teilnahme am euro-atlantischen
Sicherheitsverbund". Da steckt also beides drin, was aus schwarzblauer
Logik auch zusammengehört: Einerseits der unverhohlene Drang nach einer vollen
NATO-Mitgliedschaft, andererseits die Stärkung und Vertiefung der militärischen
Seite der EU.
"Wenn unser Land nach dem Willen der Mächtigen
nicht einmal mehr in einem Krieg neutral sein darf, dann wird unsere Verfassung
mit Füßen getreten." Der Salzburger Völkerrechtler Univ. Prof. Michael
Geistlinger wies an Hand des Textes der entsprechenden UNO-Resolutionen nach,
dass der Krieg der USA gegen Afghanistan darin keine Rechtfertigung fand und
dass die Überfluggenehmigungen für US-Flugzeuge daher verfassungswidrig waren.
Zum Vorschlag Schwedens, Finnlands, Irlands und wir
zu einer möglichen EU-Beistandspflicht sagte der Kanzler im Hauptausschuss des
Nationalrates, er würde eine stärkere Formulierung in diesem Zusammenhang
begrüßen. Der Vorschlag der vier Länder sieht vor, dass ein angegriffenes
EU-Land um Hilfe bei den anderen Mitgliedern der Union ansuchen darf. Der
Bundeskanzler wünschte sich eine stärkere Solidaritätsverpflichtung der
neutralen und bündnisfreien EU-Staaten. Eine Beistandspflicht, so meinte der
Bundeskanzler, in der EU keine Aufhebung, sondern eine "Modifikation"
der Neutralität bedeuten würde. Er wies darauf hin, dass bereits der gesamte
EU-Verfassungsvertrag eine Änderung der Verfassung bedeute. Zu diesen
Ausführungen des Bundeskanzlers kann eigentlich nur gesagt werden, dass er eine
Umfahrung der Neutralität sucht. Der Kanzler bemüht sich immer wieder die
Neutralität abzumontieren, sie als überholt hinzustellen und unserer Zeit nicht
mehr gerecht, aber genau das stimmt nicht. Die Neutralität ist noch immer am
Leben und wird es auch bleiben. Die Regierung hatte 1955 diesen Staatsvertrag
unterschrieben und der kann nicht wieder so ohne weiteres aufgelöst werden. Es
muss einen Zusatz bei der Regierungskonferenz in Brüssel geben, um nicht nur
die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Mitgliedsstaaten zu
berücksichtigen, sondern auch die verfassungsrechtlichen Traditionen der
Mitgliedsstaaten festzuschreiben. Der Kanzler hatte der sich schon mehrfach
gegen die Neutralität ausgesprochen hat und die Bedeutung der Neutralität mit
Mozartkugeln und Lipizzaner verglichen hatte. Es stelle sich daher die Frage,
ob sie bei der Regierungskonferenz nicht "kleine Schlupflöcher"
zulassen wollen und sich zu weichen Kompromissen durchringen, um weitere
Argumente gegen die Neutralität zu erhalten. Die Außenministerin hatte sofort
und ohne jede Einschränkung ihrem Parteichef
beigepflichtet. Kurz danach aber vollzog sie eine Kehrtwende: Die
Neutralität vertrage sich keineswegs mit einem Automatismus militärischen
Beistands. Die Außenministerin hatte innerhalb von sechs Tagen ihre Position um
180 Grad geändert - von klar für die militärische Beistandsverpflichtung hin zu
klar gegen eine militärische Beistandsverpflichtung.
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit gehen die
Vorbereitungen für eine „schnelle Eingreiftruppe“ planmäßig voran. Ab Sommer werden
60.000 Soldatinnen im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und
Verteidigungspolitik (ESVP) einsatzbereit sein. Die Truppe soll innerhalb von
sechzig Tagen aus Kontingenten der Mitgliedsstaaten vollständig mobilisiert
werden und ein Jahr im Einsatz gehalten werden können. Ein
sicherheitspolitisches Komitee dient als Forum für militärische Fragen. Es
fungiert nicht nur als zentrale Organisationsinstanz, sondern ist auch mit
einer etwaigen Krisenbewältigung betraut. Unterstützt wird das sicherheitspolitische
Komitee von einem Militärkomitee, das sich aus den Oberbefehlshaberinnen der
Armeen der Mitgliedsstaaten zusammensetzt, sowie deren Mitarbeiterinnen, dem
„military staff“, die für die strategische Planung und die Früherkennung von
Krisen zuständig sind. Darüber hinaus unterzeichnete die EU im März dieses
Jahres ein Abkommen mit der NATO über die militärische Zusammenarbeit (das so
genannte „Berlin-Plus“ Abkommen), das der EU ermöglicht, auf die Kommando- und
militärische Infrastruktur der NATO zurückzugreifen, sollte die EU eine
Militäraktion durchführen wollen, an der sich nicht die gesamte Allianz
beteiligen will.
„Die Neutralitätserklärung im Jahre 1955 war der
richtige Schritt, hat aber nach dem Ende des kalten Krieges ihre Funktion
verloren (...) Europa wächst wieder zusammen, in der Wirtschaft, in der Politik
aber ebenso in der Sicherheit. Diese Sicherheit ist aber nur gewährleistet,
wenn alle europäischen Staaten in schwierigen Zeiten zusammenhalten. Die
europäischen Staaten, allen voran die Europäische Union, arbeiten am Aufbau
einer neuen europäischen Sicherheitsordnung. Unser Land ist ein wichtiger
Partner in Europa, unsere Teilnahme an der gemeinsamen Sicherheitspolitik trägt
wesentlich zur Stabilität zur Stärke Europas bei. Hier geht es um die
Solidarität mit unseren Partnern in Europa. Diese Solidarität löst die
Neutralität schrittweise ab.
Die ursprünglichen Rahmenbedingungen für die
Neutralität existieren nicht mehr (...) Tatsache ist, dass die internationale
Staatengemeinschaft und insbesondere unsere Partner in Europa die Solidarität
unseres Landes und die Mitwirkung für die gemeinsame Sicherheit erwarten.
"Die Neutralität löst sich mit der Zeit ohnedies selbst auf", sagten
der oberösterreichische Landeshauptmann, auch er, wie auch sein Chef, der
Bundeskanzler auf derselben Welle. Jetzt war es aber klar geworden, wohin die
Liberale Partei eigentlich wollte: "Ziel der Liberalen Partei ist es wohl,
früher oder später die Neutralität zu entsorgen und den Weg in ein
Militärbündnis frei zu machen". "Wenn die Liberale Partei die
Neutralität entsorgen will, muss sie wenigstens den Mut aufbringen, das klar zu
sagen und die BürgerInnen darüber befragen".
Nicht nur die Liberale Partei auch die Freiheitlichen
hatten Stellung gegen die Neutralität bezogen. Die Freiheitlichen lehnte
"die Neutralität als längst realitätsfern ab". "Alle Wahlen
wieder, versucht die Sozialistische Partei mit der Neutralität Parteipolitik zu
machen", meinte der Sprecher der Freiheitlichen. Dabei dürfen die
Sozialisten den Vorwurf, dass die Bundesregierung seit 2000 die Neutralität
aushöhlt oder sogar abschaffen will, wohl nicht erheben. Schließlich sei es die
sozialistisch - geführte Regierung gewesen, die im Jahr 1999 eine gemeinsame
Verteidigung der EU in der Verfassung beschlossen habe (Artikel 23 f). Die
Vorstufe zu dieser gemeinsamen Verteidigung sei die Beistandsgarantie. Auch
Kampfeinsätze, bei der Friedensbewältigung einschließlich friedensschaffender
Maßnahmen seien durch die Bundesverfassung zulässig. Das alles wurde 1999 durch
die Sozialisten geführte Regierung ohne Befragung der Bevölkerung eingeführt.
"Wir halten diese europäische Beistandsgarantie auf alle Fälle für wichtig
und notwendig und sie ist auch im gemeinsamen Regierungsprogramm so verankert.
Die Beistandsgarantie ist ein wichtiger Schritt in der europäischen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik", sagte der Sprecher der
Freiheitlichen. Diese Beistandsgarantie sei gerade für kleine Länder wie
unseres auf Dauer absolut notwendig und stelle eine Sicherheitsgarantie für das
Land durch die Gesamtorganisation dar. "Selbstverständlich gilt das
Neutralitätsgesetz, dazu steht die Freiheitliche Partei auch, aber im Rahmen
der bestehenden Rechtsordnung ist es auch für uns möglich, an der europäischen
Beistandsgarantie teilzunehmen". "Ich freue mich, dass wir erstmals
vollberechtigt teilnehmen können" bestätigt die immer vorhandene strikte
Ablehnung der Neutralität durch die Freiheitlichen. Der Verteidigungsminister
hat sich immer für die Abschaffung der Neutralität stark gemacht. So wollte er
z.B. die Freiwilligkeit bei Auslandseinsätzen aufheben. Auch beim geplanten
Kauf der Eurofighter stand die Aushebelung der Neutralität im Vordergrund.
Die Grünen, für die bisher die Neutralität
unveräußerlich schien, schwenken nun in Gestalt ihres Sicherheitssprechers um:
Im Hinblick auf die gemeinsamen Bedürfnisse einer europäischen
Sicherheitspolitik sei die Neutralität so nicht mehr haltbar. Allerdings wollen
die Grünen Verteidigung und Sicherheit nicht mehr unter rein militärischen,
sondern zivilen, umwelt- und gesellschaftlichen Aspekten interpretiert
sehen." Ein Abgeordneter der Grünen sagte, Sinn eines Zusammenschlusses
mehrerer Demokratien könne nur sein, internationalem Recht zum Durchbruch zu
verhelfen. Es könne also nicht die neue Sicherheitsphilosophie sein, dem
stärksten Militärbündnis der Welt, der NATO, beizutreten. Wir sollten sich als
kleine Demokratie stattdessen einem System anschließen, wo das internationale
Recht gestärkt wird.
Die Sozialausgaben sollen stark gekürzt werden, die
Militärausgaben werden von keinem Sparstift betroffen sein - im Gegenteil: die
Anforderung von Milliardenbeträgen für den Ankauf neuer Waffen wurde
angekündigt. Ein NATO-Beitritt würde sogar eine Verdoppelung der
Militärausgaben nach sich ziehen.
Jede Form der Einbindung in Militärbündnisse bedeutet
letztlich, dass nicht nur eine milliardenschwere Aufrüstung des Bundesheeres
auf EU- bzw. NATO-Niveau bei gleichzeitiger Zerstörung des Sozialstaates
erfolgt, sondern dass durch die damit verbundene Beistandspflicht künftig auch
österreichische Soldaten auf Schlachtfeldern für die Interessen der Konzerne
der EU bzw. NATO bluten oder sterben müssen. Bestätigt wird diese Aussage durch
den vom Stockholmer International Peace Research Institut (SIPRI) ausgewiesenen
Wert von Rüstungsausgaben von 1.15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für
unser Land. Norwegen weist einen mehr als das Doppelte so hohen Wert auf.
Gemessen am NATO-Durchschnitt von 3.7 Prozent hat sich unser Land sogar 100
Millionen Rüstungsausgaben erspart. Die Neutralität ist - bei aktiver Anwendung
und konsequenter Weiterentwicklung - nicht nur die für uns eine adäquate
Sicherheitspolitik, sondern auch ein Ansatz für eine Politik des Friedens, der
Abrüstung und Entspannung in Europa und darüber hinaus.
Neutralität hat Zukunft, denn sie ermöglicht ein
friedliches Land für die Verhinderung und Lösung von Konflikten zu wirken,
Vorschläge für Friedenssicherung und Abrüstung international vorzubringen, den
Ausbau jener internationalen Organisationen zu betreiben, in denen alle Staaten
gleichberechtigt zusammenarbeiten können, wie der OSZE.